Morgentoilette im Blätterwald



Das ist die zentrale Frage, wenn es um das Wohnen im Loft geht: Wie viel Offenheit ist erwünscht, wie viel Geschlossenheit aber im Alltag doch notwendig? Bei der Altbauetage, die das Innenarchitekturbüro i29 in Amsterdam unter dem Namen „home 06“ umgebaut hat, sorgt schon der verwinkelte Grundriss für die ein oder andere intime Nische. Das Schlaf- und Badezimmer der Bauherren haben i29 zudem in einem abgeschlossenen Kubus untergebracht, der in den offenen Raum des 140 Quadratmeter großen Lofts eingestellt ist. Zugleich öffneten sie diesen privaten Bereich aber mit einem Oberlicht zum Himmel: Beim morgendlichen Zähneputzen haben die Bewohner nichts als Sonne oder Wolken über sich.



Mit diesem Umbauprojekt in einem ehemaligen Bankgebäude an Amsterdams Singel-Kanal konnten i29 jetzt den „Bathroom Design Award 2010“ erringen, nachdem sie kürzlich erst bei der Verleihung des „Great Indoor Awards 2009“ mit einem Preis für ihr Recycled Office ausgezeichnet worden waren. Doch während das Büro für die Werbeagentur Gummo mit einem konzeptuellen, ironisch-verspielten Ansatz und durchgehend dunkelgrauer Farbgebung auffiel, verströmt  „home 06“ eine kühl-minimalistische, von der Farbe Weiß beherrschte Atmosphäre. Lediglich einige Fronten aus Nussbaumholz und ein spektakulärer vertikaler Garten als rückwertiger Abschluss der Wohnung setzen warme Akzente.

Inszenierte Blickführung
Neben der fehlenden Intimität bringen die offenen Grundrisse von Lofts eine zweite Schwierigkeit mit sich: Der Raum, obwohl oft überdurchschnittlich großzügig, wirkt wegen der fehlenden Wände kleiner, als er tatsächlich ist. Die sprichwörtliche Übersichtlichkeit lässt das Loft optisch schrumpfen. Es erscheint also folgerichtig, dass i29 gleich zwei massive, freistehende Körper in die vier Meter hohe Etage gesetzt und so die Tiefenwirkung verbessert haben. Als Pendant zum Schlaf- und Badezimmer befindet sich am gegenüberliegenden Ende des Lofts direkt hinter dem Eingang ein weiterer Kubus. Er nimmt auf seiner dem Eingang zugewandten Seite die Garderobe auf. Die andere Seite bildet mit Einbauschränken und Kochzeile das „Rückgrat“ der Küche. Der Effekt dieses Eingriffs: Beim Betreten des Lofts lässt sich dessen ganze Ausdehnung nicht übersehen. Erst beim Umhergehen erschließen sich die verschiedenen Teile von „home 06“. Der Weg durch die Wohnung beziehungsweise die Blickführung sind regelrecht inszeniert durch den Wechsel von offenen und geschlossenen Bereichen.



Vertikaler Garten in der Wohnung
An die „Küchenzone“ schließt sich ein offener, ungegliederter Raum an, in dem der Essplatz und der Wohnbereich liegen. Den Abschluss dieses Teils bildet die Rückwand des Schlafkubus', in die Schränke eingelassen sind. Die Wand ist horizontal zweigeteilt, oben weiß lackiertes Aluminium, unten Nussbaum. Links an dem Kubus vorbei gelangt man in einen Trakt mit zwei Schlafzimmern, Bad, Toilette und Abstellraum. Rechts vom Kubus führt ein schmaler Gang entlang und direkt auf den gestalterischen Höhepunkt der Wohnung zu: die mit Pflanzen über und über begrünte Rückwand des Lofts. Der vertikale Garten wirkt besonders lebendig, weil er durch das Oberlicht mit Tageslicht versorgt wird – als läge er tatsächlich im Freien. Vor der Wand verläuft eine Treppe, über die die Bewohner ihre Dachterrasse erreichen können.

Duschen mit Blick ins Grüne
Beim Duschen und Baden können die Auftraggeber den Blick auf ihre grüne Wand genießen: Der Badbereich im Kubus ist offen gestaltet und zum Schlafraum hin nur mit einer gläsernen Wand abgetrennt. Das Waschbecken ist sogar außerhalb des Kubus' direkt neben dem vertikalen Garten und unter dem Oberlicht platziert. Eine Spiegelwand hinter dem Waschplatz sorgt für zusätzliche optische Großzügigkeit. Selbst der schlimmste Morgenmuffel sollte mit soviel Licht und Grün sanft und wohlgelaunt in den Tag starten können.

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